1855 – 1912 Italien
In Übersetzungen von
Die Brücke
Den Himmelsrand verbrämt
grüngoldne Helle
Des Monds und löset Flur und
Fluß aus Nacht.
mit Lauten, die wie Schluchzen
aufgefacht,
Am Brückenpfeiler bricht sich
Well’ um Welle.
Wo ist das Meer, das ruft? Wo
ist die Quelle,
Die zwischen Gräsern murmelt?
Welche Macht
Trägt dieser Wasser
überglänzte Fracht
Zum fremden Meer von fremder
Berge Schwelle?
Nun geht der Mond auf; die
Zypressen biegen
Die Wipfel leis’ am düstern
Saum des Stroms,
Einander flüsternd in den
Traum zu wiegen.
Flutenden Silbers, schimmernden
Aroms,
Ruht das Gewölk, das
unsichtbar erstiegen
Die blaue Leiter des
kristallnen Doms.
Das Nest
Im kahlen Rosenstrauche hängt
ein Nest.
O, einst im Lenz, wie quoll
daraus und drang,
Wenn Atzung war, geschwätziger
Überschwang
Zwitschernder Brut, erfüllend
das Geäst!
Nur eine Feder blieb als armer
Rest
Und haftet, vor dem Raub der
Lüfte bang,
Gleich einem Traume, den die
Seele lang
Festhalten will und endlich
doch entläßt.
Und zu der erde wendet sich
die Schau
Vom Himmel ab, wo längst kein Liederklang
mehr strahlend aufsteigt und
zerstiebt im Blau.
Verweht von welken Laubes
Niedergang
Sind alle Gründe. Durch das
ewige Grau
Weint wie in Wellen weher
Windgesang.
Die Wallfahrtskirche
Wie eine Arche fremder Düfte
steht
Das Heiligtum auf schroffer
Felserhebung,
Verhauchend noch Gesänge und
Gebet
Ins Piniengestämme der
Umgebung.
Vom Zittern, das durch seinen
Dämmer geht,
Wenn nachts in bläulich-zarter
Flockenschwebung
Der Weihrauch aus gestrenger
Apsis weht,
Erschaudert’s noch in
göttlicher Erhebung.
Darüber wölbt sich leuchtend
Himmelspracht,
Hoh über Hügeln, die sich
ferne neigen,
Hält schon das Bildgestirn des
Wagens Wacht.
Und mit den Schatten, die nun
wachsend steigen,
erhebt ein Wasserfall die
Stimme sacht –
Sehnsüchtig seufzend durch das
ernste Schweigen.